»Das respektieren alle«: Freiburgs einziger Späti kommt bisher ohne Trubel aus business im Breisgau | 22.05.2024 | Till Neumann

Der „Bis Späti“ im Freiburger Stadtteil Stühlinger hat vor drei Jahren für viel Wirbel gesorgt. Und musste schließen. Mittlerweile gibt es an der Habsburger Straße in Herdern einen neuen Späti. Der Laden musste zwar bereits einen Angriff überstehen, kommt sonst aber ohne Trubel aus. Wie das geht, verrät Besitzer Goran Dolic.
Früher ein Spielcasino
In Köln oder Berlin gibt es Spätkiosks an fast jeder Ecke. In Freiburg ist das anders: Mit dem „Bis Späti“ eröffnete im Mai 2019 Freiburgs erster Nachtkiosk. Doch er hielt sich nach Ärger mit klagenden Anwohnenden nur rund zwei Jahre. Für viele junge Menschen hinterließ er eine Lücke. Die versucht Goran Dolic zu schließen. Der 28 Jahre alte Freiburger betreibt seit Oktober 2022 den aktuell einzigen Späti der Stadt. An der Habsburger Straße 119 ist sein „Späti Fourty Eight“ nur 200 Meter vom Europaplatz entfernt.
Etwas unscheinbar liegt der Laden am Straßenrand. Am Eingang gibt’s Postkarten, ein Eisschild wirbt mit BumBum und Magnum unter einer Lagnese-Fahne. Wer eintritt, fühlt sich ein bisschen wie am Tankstellen-Shop: Es gibt Drinks, Snacks und Eiswürfel – hinter der Kasse reihen sich unzählige Zigarettenschachteln aneinander. Früher war hier ein Spielcasino. Heute gehen Paprika-Chips über die Theke von Goran Dolic.
„Ich lebe hier“
Wie er dazu kam, einen Späti aufzumachen? „Auf die Idee kam ich gar nicht“, antwortet Dolic. Nur einen Monat vor der Eröffnung sei er von einem Kollegen eingeladen worden, den Laden zu führen. „Ich habe das Potenzial darin gesehen“, sagt Dolic. Also übernahm er ohne zu zögern. Auch um der Stadt zu bieten, was in seinen Augen fehlt: Nachtkiosks.
Davor arbeitete er im Familienbetrieb auf dem Bau. Das macht der große Mann mit den breiten Schultern und kurzen Haaren noch immer. Doch die meiste Zeit steckt er in den Laden: „Ich lebe hier, ich esse hier.“ Der Späti sei „sein erstes Zuhause. Das zweite ist woanders“.

Alkohol, Chips, Sweets: Im Späti gibt’s nicht nur für Nachteulen Proviant.
„Habe Respekt davor gehabt“
Dolic kennt den Ärger um den alten Späti. Mit dessen Vermieter war er im Austausch. „Ich habe Respekt davor gehabt, hier so etwas aufzumachen.“ Also nahm er sich vor, mit klaren Worten sicherzustellen, dass es keine verärgerten Anwohner·innen gibt: „Wir haben dafür gesorgt, dass es eben nicht so turbulent wird, dass die Leute dann nicht draußen rumirren.“
Dafür brauche es „normale Ansagen, mit Respekt auf jeden Fall“. Golic ist überzeugt: „Das respektieren alle.“ So gelinge es, dass die Kund·innen keinen Müll machen, nicht rumschreien und berücksichtigen, dass hier auch Menschen wohnen, die nicht die Jüngsten sind und ab einer bestimmten Uhrzeit ihre Ruhe haben wollen.
„Freiburg ist eine Bierstadt“
Beschwerden sind ihm bisher nicht zu Ohren gekommen. Im Gegenteil: Von den Nachbar·innen kenne er mittlerweile viele. „Die sind Kunden von uns“, sagt Dolic. Dass man bei ihm einkaufen könne, werde gerne angenommen. Möglich ist das unter der Woche bis 1 Uhr morgens. Freitags und samstags bis um 3.
Gefragt wird viel Flüssiges: Rund die Hälfte der verkauften Waren seien alkoholische Getränke. In den Regalen stehen Schnaps, Wein, Sekt, Bier … „Freiburg ist eine Bierstadt“, sagt Dolic. Das gehe am besten. Aber auch Snacks seien begehrt. Wer eine Tiefkühlpizza, Eiswürfel oder Shampoo sucht, wird ebenfalls fündig.
Vermummte greifen an
Ganz ohne Zwischenfall hat es auch der neue Späti nicht geschafft: Im Juni 2023 attackierten Vermummte das Geschäft. „Da wurde fast jede Scheibe eingeschlagen“, erzählt Dolic. Die Polizei meldete eine „massive Beschädigung“ durch eine Gruppe von fünf bis acht Personen. Der Sachschaden betrug rund 10.000 Euro. Gezahlt hat das die Versicherung, so der Betreiber. Wer hinter dem Angriff steckt, weiß er nicht. „Man kann immer nur spekulieren und hört Gerüchte“, sagt Dolic. Für ihn bleibt: „Ich mag es nicht, so negativ zu denken. Es ist halt so passiert. Was soll ich machen?“

Etwas unscheinbar: Der Späti an der Habsburgerstraße liegt rund 200 Meter vom Europaplatz entfernt.
Den Blick richtet der gebürtige Freiburger nun nach vorne. Der Laden soll aufgehübscht werden, auch Stehtische für den Außenbereich schweben ihm vor. „Es gibt immer ausbaufähige Bausteine“, sagt Dolic. Zu viel verraten wolle er aber noch nicht.
„Reich werden tut man nicht“
Eine Wohnzimmer-Atmosphäre wie im „Bis Späti“ schwebt ihm nicht vor. „Ich würde sagen, wir sind eher so der klassische Einkaufsladen.“ Im Unterschied dazu sei sein Team auch viel kleiner: Dolic hat einen Angestellten in Vollzeit und einen Praktikanten.
Mit dem Andrang und der Lage ist er zufrieden. „Reich werden tut man nicht hier. Aber man lebt.“ Ein Späti-Leben ohne klagende Nachbar·innen – darum hätten ihn die Vorgänger mehr als beneidet.
Im Netz: Der Späti ist auf Instagram zu finden: instagram.com/spaeti_79
Fotos: © Till Neumann