Neuer Nachtmanager, erfahrener Popbeauftragter: das sagen die Fraktionen Szene | 19.03.2022 | Till Neumann

Freiburg bekommt im Sommer eine oder einen Nachtmanager·in. Seit 4,5 Jahren ist der Popsupport Tilo Buchholz im Amt – angedockt an die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe (FWTM). Popsupport und Nachtmanager werden zukünftig vom Kulturamt aus als Duo agieren. 

Das chilli hat die Freiburger Gemeinderats-Fraktionen gefragt: Wie bilanzieren sie die Arbeit des Popsupports? Was erwarten Sie vom Nachtmanager? Was sagen Sie zur Ansiedelung der Stellen beim Kulturamt?

Die Erwartungen an den Nachtmanager sind groß, berichtet das chilli in der aktuellen März-Ausgabe. Im Interview erzählt Mannheims Night Major Robert Gaa zudem von seiner Arbeit aus der ersten Stadt, die ein solches Amt eingeführt hat. Und was sagen die Freiburger Fraktionen zum neuen Freiburger Duo für Popkultur und Nachtleben?

Grüne, Timothy Simms

Aus unserer Sicht hat die Stelle des Popbeauftragten viel bewirkt und die Szene deutlich besser vernetzt. Nachdem lange Jahre nichts geschehen ist bzgl. Proberäumen, wird nun an der Karlsruher Straße ein Proberaumzentrum entstehen. Daran hat unseres Erachtens auch der Popsupport entscheidenden Anteil. Der Popsupport war bislang bei der FWTM angesiedelt und dort sehen wir Synergien zu Themen wie Kultur- und Kreativwirtschaft, Innenstadt, Stadtmarketing und Tourismus. Schade, dass die Stelle jetzt ins Kulturamt wandert.

Wir erhoffen uns, dass durch die Stelle der/des Nachtkulturbeauftragten die Bedeutung des Nachtlebens und der Nachtkultur für Freiburg deutlicher ins Bewusstsein rückt und stärker auch für die Aussendarstellung der Stadt genutzt wird. Wünschenswert wäre, dass der Nachtkulturbeauftragte auch bei der Lösung von Konflikten (z.B. Lärm) mit der Nachbarschaft konstruktiv tätig wird.

Wir halten die Ansiedelung der Stelle beim Kulturamt für eine Fehlentscheidung. Wir konnten uns mit dem Wunsch beide Stellen bei der FWTM anzusiedeln leider nicht durchsetzen. Gerade weil Nachtkultur/Nachtleben/Nachtgastronomie nicht als klassische Kulturförderung zu begreifen sind, sondern es sich in der Regel um Betriebe handelt, die großteils eigenwirtschaftlich und ohne kommunale Zuschüsse agieren, halten wir die Ansiedlung beim Kulturamt eigentlich für sachfremd. Wir sehen sowohl beim Popsupport als auch bei der Nachtkultur deutlich mehr Synergien zu den Arbeitsfeldern der FWTM als zu den anderen Aufgaben des Kulturamts.

Eine Stadt für Alle, Irene Vogel

Es ist gut, dass es mit dem Popbeauftragen einen Ansprechpartner gibt für Freiburgs Popkulturszene und für deren Vernetzung. Mit einer halben Stelle ist allerdings nicht sehr viel zu bewegen. Und das drängendste Problem der Live-Musikszene, die fehlenden Proberäume, ist leider nicht ansatzweise gelöst. Diesbezüglich hatten wir uns mehr erhofft.

Mit der Stelle der/des Nachtkulturbeauftragten wird erstmals proaktiv etwas dafür getan, die Lebendigkeit und Attraktivität der Stadt bei Nacht zu erhalten und zu stärken anstatt z.B. dem Club-Sterben hilflos zuzusehen. Sie soll die Nachtkultur in all ihren kulturellen, sozialen und ökonomischen Facetten fördern, eine gute Vernetzung aller Beteiligten herstellen, ihre unterschiedlichen Perspektiven aufnehmen und zwischen ihnen vermitteln.

Der Popsupport wäre u.E. aufgrund der inhaltlichen Zielsetzungen beim Kulturamt von je her besser verortet gewesen, für die kulturelle und soziale Dimension der Nachtkultur ist das auch die bessere Wahl. Da beide Stellen einerseits nur 1,2 VZÄ betragen und andererseits große Schnittmengen haben, ist eine enge Zusammenarbeit wichtig. Die Nähe zu und eine intersivere Zusammenarbeit mit anderen städtischen Ämtern spricht ebenfalls dafür. Bei Themen wie „Zwischennutzungen von Laden-Leerständen“ und „Nachtkultur / Stadtmarketing“ werden beide Stellen von der Erfahrung mit der FWTM sicher profitieren.

SPD/Kulturliste, Atai Keller

Eine neue Instanz ist mit dem Popsupport auf der Musikgruppen-Ebene dazu gekommen. Die Beurteilung bestimmter Entwicklungen in der Stadt bekommt eine neue Wertung aus Sicht der Rock/Popgruppen, das ist eine Aufwertung des gesamten Bereiches. Viel ist dabei auch Ankündigungspolitik und Symbolik. Tilo hat es andererseits nicht fertig gebracht, die Forderungen der Szene auf ein eigenes Musikerhaus (D4 auf dem Güterbahngelände) gewichtig zu vertreten, sondern hat sich früh auf den Schleichweg in die Karlsruher Strasse begeben und somit dem Kompromissweg die Türen geöffnet. Seine Sonderstellung bei der FWTM war ihm da manchmal auch in Wege.

Die Stelle des Nachtmanagers ist hier eine gute Erweiterung auf dem Wege zur Aufwertung des Nachtbereichs und des Musiklebens in der Stadt. Der Popbeauftragte hat nur eine halbe Stelle, der Nachtmanager kann da einiges mehr bewirken (siehe oben) und gibt dem Popbeauftragten die Möglichkeit wieder inhaltlich die Szene zu stärken und diese zu vernetzen.

Die Ansiedelung beim Kulturamt ist nicht die beste Lösung, aber die zweitbeste. Warum soll Ephraim Wegner oder Harald Kimmig beim Kulturamt angesiedelt sein und Markus Schillberg bei der FWTM? Am besten wäre ein eigenständiges Popbüro, das bekommen wir jetzt nicht hin, also sollte die kulturelle Anbindung der Musiksparten die Zugehörigkeit bestimmen, eine wirtschaftliche Orientierung ist weiterhin zwingend.

CDU, Carolin Jenkner

Der Popsupport hat sich als wichtiger Ansprechpartner für Bands und die Popszene in Freiburg bewährt, deren Bedürfnisse immer wieder an Gemeinderat und Verwaltung herangetragen und so für eine bessere Vernetzung gesorgt.

Wir hoffen, dass der Nachtkulturbeauftragte eine Schnittstellenfunktion bildet. Er vernetzt die Szene mit Ansprechpartnern in der Verwaltung und erarbeitet Rahmenbedingungen für die Nutzung der Stadt bei Nacht. Uns ist es daher insbesondere wichtig, dass er bei der Lösung von hierbei entstehenden Konflikten konzeptionell mitarbeitet und für die unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten sensibilisiert, zum Beispiel bei den bestehenden Lärmkonflikte.

Die Ansiedlung der Stelle ist für uns eine zweitrangige Fragestellung. Der Auftrag ist interdisziplinär und lebt von der Vernetzung. Daher kann die Ansiedlung immer nur einen Startpunkt bilden. Diesen Startpunkt im Kulturamt zu setzen hat den Vorteil der direkten Vernetzung mit weiteren Kulturverantwortlichen, bietet aber auch kurze Wegen zu anderen Stellen innerhalb der Verwaltung, wie beispielsweise dem Ordnungsamt. Da es noch offen ist, wie sich die Stelle tatsächlich entwickelt und welche Rahmenbedingungen notwendig sind, haben wir beantragt, die jetzt beschlossene Organisationsstruktur in 2 Jahren zu evaluieren.

JUPI

(keine Rückmeldung auf die chilli-Anfrage)

FPD/BfF, Adrian Nantscheff

Wir haben Tilo Buchholz als einen leidenschaftlichen Streiter für die Popkultur wahrgenommen. Es wurden weitere Bandräume geschaffen und insgesamt wird die Kommunalpolitik in der alltäglichen Arbeit häufiger mit dem Thema konfrontiert. Allerdings muss natürlich bedacht werden, dass angesichts der Corona-Pandemie eine Bewertung anhand der Kriterien, die bei der Einrichtung der Stelle vor knapp fünf Jahren angelegt wurden, nicht möglich ist, da die Gemengelage sich grundlegend verändert hat. Wir setzen aber durchaus auch darauf, dass der Popsupport bei der Wiederbelebung der Kultur in Freiburg nach der Pandemie eine wichtige Rolle spielen wird.

Wir erhoffen uns durch die neue Stelle des/der Nachtkulturbeauftragten einen intensiven Austausch mit den vielen Stakeholdern der Nachtkultur und dass der Ist-Zustand der Nachtkultur in Freiburg analysiert und ein Soll-Zustand definiert werden. Wir haben den Antrag unterstützt, der auch das Thema Lärm mit auf die Agenda der Stelle setzt, und erhoffen uns hier, dass der Austausch zwischen den Parteien vereinfacht wird. Insgesamt sollten wir aber die Erwartungen an eine 0,7-Stelle nicht zu hoch ansetzen. Wie Sascha Fiek im Gemeinderat bereits gesagt hat: Wenn man sich die Erwartungen anhört, die von manchen Fraktionen an die Stelle gemacht werden, könnte man meinen, Superwoman oder Superman fliegt demnächst nachts durch die Stadt und löst alle Probleme mit dem Laserblick. Das wird so nicht funktionieren, sondern es wird ein Schritt hin zu einer Neubewertung und stärkeren Priorisierung der Nachtkultur der Zukunft in Freiburg sein. Nicht mehr, aber auch nicht weniger als das.

Wir sehen das Kulturamt als die richtige Heimat für die Stelle an. Die Stadt hat den Posten mehr kulturpolitisch als wirtschaftspolitisch definiert, da macht das Kulturamt Sinn. Auch besteht dadurch der direkte Zugang zur Verwaltung, und ein Austausch mit der FWTM ist auch weiterhin problemlos und niederschwellig möglich. Insgesamt halten wir es aber grundsätzlich meist für richtig, städtische Aufgaben auch in den städtischen Ämtern anzusiedeln.

Freie Wähler, Johannes Gröger

Bevor wir die Arbeit des Popsupports bilanzieren, hätte unsere Fraktion zunächst eine nachvollziehbare Bestandsaufnahme erwartet. Wie setzt sich die Freiburger Szene zusammen? Wie viele Bands und Gruppen bestehen? Wie ist die Fluktuation/Veränderung? Welche Möglichkeiten der Unterstützung durch die Stadt gibt es?  Usw. Bisher gab es jedoch nur einen mündlichen Bericht im Juli 2018. Insoweit ist es sehr schwierig zu beurteilen, was die Stelle „gebracht“ hat. Eine wirkliche Stärkung der Popszene konnte unsere Fraktion jedenfalls nicht wirklich wahrnehmen. Es ist uns natürlich auch nicht bekannt, wie die Person des Popbeauftragten in der Szene beurteilt/akzeptiert wird.

Das Ergebnis der Arbeit der/des Nachtkulturbeauftragten wird im Wesentlichen von der Person abhängen. Daher ist die Auswahl von entscheidender Bedeutung. Unsere Fraktion hätte sich keine Planstelle, sondern eine zeitlich begrenzte Projektstelle gewünscht.  Insoweit wäre es sicherlich auch besser gewesen ein Büro für Nachtkultur, mit jeweils zeitlich begrenzter personeller „Besetzung“ zu schaffen. Die Nachtkultur befindet sich in einem steten Wandel und ist von der Beurteilung her auch sehr altersabhängig. Daher halten wir eine stetige (alle 3 bis 5 Jahre) Neubesetzung dieser Stelle, wie übrigens auch die Stelle des Popbeauftragten, für zwingend notwendig.

Pop und Nachtkultur sind nach unserer Meinung eher dem Thema Kultur und Kulturförderung zuzuordnen, als dem Thema Stadtmarketing. Die Ansiedlung beim Kulturamt bietet zudem die Möglichkeit einer besseren Verknüpfung mit den sonstigen Akteuren der Kulturszene, wie zum Beispiel den privaten Theatern, den Galerien, aber auch der Subkultur.  

AfD, Detlef A. Huber

Der Popbeauftrage war in den letzten Jahren wenig sichtbar, was aber sicherlich auch an der Pandemie und den völlig überzogenen Coronamaßnahmen lag. Prinzipiell unterstützen wir den Popbeauftragten sowie den Nachtmanager und begrüßen einen Neustart im Kulturamt, da es letztlich um Kultur und weniger um Wirtschaftsförderung geht.

Wir sehen den Nachtkulturbeauftragen als Schnittstelle zwischen den Kulturschaffenden der Nacht einerseits, sowie den Anliegen der Stadt und der Bürger andererseits. Wir erhoffen uns einen Dialog, der letztlich dazu führt, dass das Nachtleben bereichert wird ohne Probleme wie Lärm, Vermüllung zu vernachlässigen. Hier ist allerdings auch der Ordnungsdienst gefordert, den wir gerne verstärkt sehen würden.

Freiburg Lebenswert, Wolf-Dieter Winkler

Ich selbst bin in einem Alter, in dem mich entsprechende kulturelle Belange der Popszene nicht so sehr tangieren. Nach Rückfragen bei mir bekannten Musikern hat man allerdings die „Aktivitäten“ des „Popsupporters“ in den letzten Jahren eher nicht wahrgenommen. Aber das sind sicher keine repräsentativen Aussagen. Auch bei der zweiten Frage bin ich, da mich „Nachtkultur“ nur in eingeschränktem Maß betrifft, eher der falsche Ansprechpartner. Für mich ist wichtig, dass der Nachtkulturmanager sich auch um die Lärmproblematik mit kümmert. Das ist aber natürlich bei einer 70-Prozent-Stelle ein völlige Überforderung des Stelleninhabers. Hier wäre der Kommunale Ordnungsdienst der richtige Adressat. Aber den hat eine Mehrheit des Gemeinderates ja massiv beschnitten, statt, wie es m.E. richtig gewesen wäre, ihn eher zu erweitern.

Bei Ihrer dritten Frage bin ich der Ansicht, dass die FWTM in Freiburg eine viel zu wichtige Stellung mit einem zu stark aufgeblähten Personalapparat inne hat. Das führt dann dazu, dass man sich bei der FWTM Aufgaben „sucht“ wie die Expo in Dubai mit den bekannten Folgen. Wir brauchen die FWTM um das Konzerthaus, die Messe etc. zu betreiben und deren Abläufe zu organisieren. Wirtschafts-, Tourismusförderung sind bei einer Stadt wie FR, bei der diese Dinge inzwischen Selbstläufer sind, völlig überflüssig. Und hier gilt für mich auch, dass das Kulturamt in meinen Augen ein besseres Kulturverständnis hat als die FWTM.


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